Aarau, 20.September 2023
Sehr geehrter Herr Bundesrat
Sehr geehrte Frau Direktorin
Vorliegend erhalten Sie innert Frist unsere Stellungnahme zur Vernehmlassung der Kulturbotschaft 2025-2028. Von den Entwicklungen im Kulturbereich auf nationaler Ebene sind wir als Schweizer Dachverband in besonderem Masse betroffen. Es ist uns daher ein grosses Anliegen, uns zur vorliegenden Kulturbotschaft vernehmen zu lassen. Für die uns eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme und die Berücksichtigung unserer Anliegen, sowie für Ihre wertvolle Arbeit zu Gunsten der nationalen Kultur danken wir Ihnen bereits vorab bestens.
Mit seinen 30 Mitgliedsverbände, 1 972 Vereinen und insgesamt 54 000 Mitgliedern ist der Schweizer Blasmusikverband der grösste Amateurkulturverband in der Schweiz. Seit 1862 haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, die Blasmusik zu stärken. Unser Ziel ist es, optimale Rahmenbedingungen für alle Musizierenden zu schaffen, die ein Blasmusikinstrument spielen. Deshalb verbinden wir regionalen Vereine und Verbände mit politischen Entscheidungsträgern. Wir fördern Ausbildungen und bieten Ressourcen an, die die Qualität der Blasmusik steigern und begeistern junge Menschen dazu, in der Blasmusikszene mitzuwirken.
Der Schweizer Blasmusikverband ist Mitglied des Schweizer Musikrats und hat bei der Erarbeitung der Stellungnahme des SMR zur Kulturbotschaft mitgewirkt. Daher unterstützen wir diese explizit. Ergänzend oder aufgrund der Bedeutung auch im Sinne einer nochmaligen Erwähnung möchtenwir auf folgende Aspekte im Besonderen hinweisen und bitten um Berücksichtigung:
Wir ersuchen Sie dringend, die bisherigen im Amateurbereich etablierten Förderinstrumente beizubehalten. Es ist dies namentlich die von Ihnen in der Kulturbotschaft erwähnte Förderung von kulturellen Projekten und Anlässen für ein breites Publikum (Art. 16 KFG)
Die unter Ziffer 5.5.1, Anpassungen in der Periode2025-2028, aufgeführten drei Massnahmen zu «Programm J+M», «Musikschulen», «Gouvernanz» begrüsst der Schweizer Blasmusikverband grundsätzlich. Sollte diefür 2024 vorgesehene Überprüfung der Tarifstrukturen bei den Musikschulen aufzeigen, dass weitere Massnahmen notwendig sind, sollen diese unverzüglich in Angriff genommen werden. Die Programme «Jugend und Musik» und «Junge TalenteMusik» sind gut gestartet, aber die Bereitschaft zur Teilnahme muss in allen Kantonen der Schweiz weiter vorangetrieben werden, denn sie ist aktuell noch zugering, was vornehmlich an den Zulassungsvoraussetzungen liegt. Die zum Teil sachlich nicht begründeten Voraussetzungen zum Erlangen der Beiträge müssen zwingend beseitigt oder zumindest reduziert werden.
Die ebenfalls nicht begründeten Unterschiede vom Programm «Jugend und Musik» zum Programm «Jugend+Sport» müssen ebenfalls beseitigt werden (Beispiel «EO-Entschädigung für Leiter:innen»). Da so mehr Jugendliche in die Programme aufgenommen werden, muss das dafür vorgesehen Budget aufgestockt werden. Ausserdem soll wie in den vergangenen Jahren für Anlässe der musizierenden Jugend mit gesamtschweizerischer Bedeutung zusätzlich 1 Mio. bereitgestellt werden. In einem weiteren Schritt sollen diese Programme auch auf die Frühförderung (Kinder 0-4 Jahre) und auf Lehrlinge ausgeweitet werden.
Neue Förderinstrumente und -schwerpunkte müssen auch mit entsprechenden zusätzlichen Mitteln versehen werden. Die Erwartung an die Kultur, wichtige gesellschaftliche Aufgaben wie zum Beispiel die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die kulturelle Teilhabe, Integration, Nachhaltigkeit und Diversität zu erfüllen, muss mit dem politischen Willen verbunden sein, die neuen Aufgaben zu finanzieren – ohne die bestehenden zu vernachlässigen.
Neben professionellem Kultur- und Musikschaffen ist die Amateurkultur in der Schweiz von grosser Bedeutung: Viele Personen gehen in ihrer Freizeit einer kulturellen Tätigkeit nach und engagieren sich freiwillig und ehrenamtlich in Vereinen und damit für die Gesellschaft. Mit Genugtuung und Freude kann zur Kenntnis genommen werden, dass die Kulturbotschaft explizit dem Amateur-/Laienbereich eine hohe Bedeutung beimisst. Dieser Stellenwert ist mehrals gerechtfertigt, leistet dieser Kulturbereich eine für den gesamten Kulturbereich, aber auch für die Gesellschaft wichtige Funktion. So ist ein starker Amateurkulturbereich Voraussetzung für einen starken Profibereich, entstammen doch viele Profikulturschaffende diesem Bereich. Auch bietet der Amateurkulturbereich zunehmend ein Betätigungsfeld für professionelle Kul-turschaffende, sei es als Dirigenten:innen von Chören oder musikalische Leitungen von Or-chestern. Der Amateurbereich hat zudem auch eine sehr grosse integrative Bedeutung. So spielen in Musikvereinen oder Theatergruppen nicht selten bis zu drei Generationen gleichzeitig. Das ist eine herausragende und einzigartige Besonderheit der Kultur. Damit wird gegenseitige Rücksichtnahme, Verständnis und Zusammenhalt gelebt, Werte die auch für unser gesellschaftliches Zusammenleben und die sozialen Netze von unschätzbar grosser Bedeutung sind.
Die Bedeutung der Freiwilligenarbeit hervorzuheben ist begrüssenswert. Der Schweizer Blasmusikverband möchte aber daraufhinweisen, dass sich die Freiwilligenarbeit nicht nur auf den Veranstaltungsbereich reduziert, sondern gerade im Amateurmusikbereich eine zentrale Bedeutung hat.
Gleichzeitig haben sich im Verlaufe der letzten Jahre immer mehr Schnittstellen zwischen den auf Freiwilligkeit und Ehrenamtlichkeit basierenden Kulturbereichen und den professionellen Kulturbereichen ergeben, so werden z.B. Amateurmusikvereine, Chöre, Amateur-Orchester etc. zunehmend von professionellen Dirigent:innen geleitet, die eine branchenübliche Entlöhnung pro Probe erhalten. Ausserdem bilden sich immer mehr Amateurmusiker:innen z.B. zu Chorleiter:innen oder Dirigent:innenweiter und nähern sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit dem Status von professionellen Musiker:innen an (Semi-Professionalität). Entsprechend brauchtes im Amateurkulturbereich Informations- und Sensibilisierungskampagnen, die den Vereinen aufzeigen, welche finanziellen Mehrmittel notwendig sind, um die bezahlten Musiker:innen korrekt entschädigen zu können.
Immer mehr rechtliche Vorgaben betreffen auch den Amateurkulturbereich. Und auch der Komplexitätsgrad und die Administration im Amateurmusik-Bereich haben stark zugenommen: Das Einreichen von Unterstützungsgesuchen wird immer komplexer und kann kaum mehr von Amateur:innen bewältigt werden, mit dem unschönen Ergebnis, dass die meisten der eingereichten Gesuche abgelehnt werden (und häufig ohne konkrete Begründung) oder es gar nicht erst zu einer Gesuchseinreichung kommt. Eine Vereinfachung dieser Verfahren wäre sehr hilfreich. Im Amateurmusik-Bereich ist somit zwangsläufig eine Professionalisierung im Gange, wofür mehr finanzielle Mittel benötigt werden. Nichtsdestotrotz soll Freiwilligkeit als zentrales Element bestehen bleiben. Die Arbeit im Amateurkulturbereich wirkt dem Individualisierungstrend in der Gesellschaft entgegen und kann so Gegensteuer in Bezug auf eine Spaltung der Gesellschaft geben. Auch leistet sie einen wichtigen Beitrag zur musikalischen Bildung. Es muss darum mit geeigneten Massnahmen dafür gesorgt werden, dass die Vereinskultur erhalten bleibt. Deshalb begrüssen wir im Amateurkulturbereich die Unterstützungsschwerpunkte Organisationsentwicklung, digitale Transformation, Nachwuchswerbung und Gewinnung neuer Publika.
Wir bedanken uns für Ihre Arbeit und bitten Sie, bei Ihren Anträgen an die Eidgenössischen Räte unsere Überlegungen zuberücksichtigen.
Freundliche Grüsse
Schweizer Blasmusikverband